Vor 90 Jahren: Erntedank in Schmalensee unter dem Hakenkreuz

Schmalensee, den 06.​10.​2025

In der Zeit des Nationalsozialismus erfuhr die deutsche Landwirtschaft eine gesellschaftlich-ideologische Aufwertung, die diesem Berufsstand mehr als nur schmeichelte. In der Reichsnährstandsorganisation „überwand“ der NS-Staat die nach dem Ersten Weltkrieg in Zeiten der Not entstandene Spaltung der Landwirtschaft in verschiedene, durchaus politisch motivierte Interessenverbände – indem diese aufgelöst und alles, was mit der für eine zukünftige Kriegführung unverzichtbaren Nahrungsmittelproduktion verbunden war, zwangsvereinigt und „gleichgeschaltet“ wurde. 

 

Ein Ausdruck der hohen ideologischen Bedeutung der Landwirtschaft im sogenannten „Dritten Reich“ war das Reichserntedankfest auf dem Bückeberg bei Hameln. Der Besuch dieser Massenveranstaltung war in den frühen Jahren der NS-Herrschaft eine namentliche Meldung wert, wie der im Folgenden wörtlich wiedergegebene Beitrag aus Schmalensee im Segeberger Kreis- und Tageblatt bestätigt. 

 

Aber auch auf dem „platten Lande“ wurde dem Erntedankfest eine große Bedeutung zuteil – doppelt sogar, denn neben den kirchlichen Feierlichkeiten fanden auch politische, ganz im Zeichen des Nationalsozialismus statt. Unter der Ortsanhabe „Schmalensee“ findet sich in der Kreiszeitung ein sehr ausführlicher Bericht zum Erntedankfest am 6. Oktober 1935. Damit korrespondierend gibt es im Nachlass der Familie Behrend ein Foto vom Umzug durch die Damsdorfer Straße – ob dieses aus dem Jahr 1935 stammt, ist nicht bekannt; sicher aber ist die Einordnung in die Zeit nach 1933. 

 

Hier der Bericht, in welchem in Klammern Namen von Protagonisten, die sogenannte Amtsträger waren, ergänzt wurden:

 

„Das Erntedankfest war für unser Dorf zugleich ein Fest der Zusammengehörigkeit, ein Fest der Volksgemeinschaft. Durch die Bemühungen des Bürgermeisters (Heinrich Harder), des Zellenwartes der NSDAP (Richard Saggau) und des Ortsbauernführers (Carl Theodor Schnohr) war es gelungen, die gesamte Einwohnerschaft, Bauern, Landarbeiter und Handwerker zur gemeinsamen Teilnahme heranzuziehen. 

 

Am Morgen versammelten sich die Bauern mit den festlich geschmückten Bauwagen vor dem Dorfkrug, um gemeinsam mit ihrer Gefolgschaft am Festgottesdienst in Bornhöved teilzunehmen. Im Anschluß daran beteiligte man sich an dem Umzug durch Bornhöved. 

 

Am frühen Nachmittag dann versammelte sich die gesamte Einwohnerschaft, alt und jung, Betriebsleiter und Gefolgsmann, im Dorfkrug, um im Gemeinschaftsempfang die Rede des Führers und Reichskanzlers auf dem Bückeberg zu hören. An langen Tischen saßen dort, nach Betrieben geordnet, Bauern und Arbeiter, Betriebsleiter und Gefolgschaft, mit ihren Frauen beieinander. 

 

Das vom Führer ausgerufene Sieg-Heil fand ein vielstimmiges Echo und begeistert stimmte man mit ein in den Gesang des Deutschland- und Horst-Wessel-Liedes. In froher Gemeinschaft wurde dann der weitere Nachmittag verbracht. Zur gemeinsamen Kaffeetafel hatte jeder Bauer und Meister seine Helfer eingeladen und die Frauen hatten sich durch reichliche Kuchenspenden in den Dienst der guten Sache gestellt. Auch die Alten, die Opfer der Arbeit, nahmen teil. 

 

Nach einer Ansprache, in der Ortsbauernführer Schnoor vom Sinn des Erntedankfestes und von der Notwendigkeit des engen Zusammenschlusses aller Volksgenossen sprach, überreichte er dem Bürgermeister Harder die Erntekrone dieses Jahres. Bürgermeister Harder nahm die Erntekrone als Sinnbild der Dorfgemeinschaft in Empfang und versprach, ihr einen würdigen Platz zu geben. Er und auch (NSDAP-)Ortsgruppenleiter (Alfred) Dau, Bornhöved, gaben ihrer Freude darüber Ausdruck, daß sich fast alle Einwohner zu dem Fest eingefunden hatten und so ihren Willen und ihren Sinn für die Gemeinschaft bekundeten. 

 

Wie der Gesamtkörper nur leben und arbeiten kann, wenn jede Urzelle gesund ist, so kann auch eben das gesamte Volk nur leben, wenn in jeder Gemeinde ein gemeinsamer Sinn und gleiches Streben Platz haben. Fleißig geübte Volks- und Erntetänze des BDM (Bund Deutscher Mädel, also weibliche Hitler-Jugend)) und der Jungmädelgruppe Bornhöved waren eine Überraschung für die Gäste und trugen an ihrem Teil zur Unterhaltung und zum Gelingen bei. 

 

Am Festakt auf dem Bückeberg (dem Reichserntedankfest) nahmen aus unserem Dorf die Jungbauern Werner Harder und Erich Stegelmann und der Handwerker Gerd Hutzfeld teil.“

 

Kommentierung von Christian Detlof, Arbeitskreis Dorfgeschichte Schmalensee: 

Der Verfasser des Berichts, möglicherweise Bürgermeister Heinrich Harder selbst, was früher durchaus üblich war, greift an vielen Stellen die NS-typischen Begrifflichkeiten auf, etwa „Gefolgschaft“ oder „Betriebsleiter und Gefolgsmann“.

Die häufige Wiederholung der die Gemeinschaft betonenden Begriffe wird dem Hierarchischen im „Führerstaat“ bewusst gegenübergestellt, um die Ungleichheit zwischen den jeweiligen „Führern“ und den ihnen Nachgeordneten emotional zu überwinden. 

Der Beitrag betont zwar die dörfliche Geselligkeit, wenn aber vom „Gesamtkörper“ die Rede ist, der auf „gesunden Urzellen“ beruht, dann hört das geübte Ohr die sogenannte „Rassenhygiene“ des Nationalsozialismus heraus. Begrifflichkeiten wie diese etablierten sich aufgrund fortwährender Wiederholungen in Publikationen und „Redebausteinen“ nach und nach in Ansprachen und Berichten von Amtsträgern auch auf unterster Ebene. 

Insgesamt ist der Beitrag aus dem Segeberger Kreis- und Tageblatt durchaus wertvoll für unsere Dorfgeschichte, da er ein Guckloch in eine Zeit darstellt, die es nun mal auch im beschaulichen Schmalensee gegeben hat, und der sich, zumindest durch Präsenz, niemand hat entziehen können (wenn er oder sie es denn wollte). 

 

Bild zur Meldung: Erntewagen beim Erntedank-Umzug in Schmalensee in den 1930er-Jahren