Vor 60 Jahren: Einweihung eines Mütterkurheims am Schmalensee

Schmalensee, den 17. 03. 2020

Die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde Wellingsbüttel baut in Schmalensee bei Neumünster ein Müttergenesungsheim für 45 Frauen. Über dem Haus soll schon am kommenden Dienstag der Richtkranz hochgezogen werden. Zu Weihnachten wird Einweihung gefeiert“, meldete das Hamburger Abendblatt am 18. Juli 1959. Das klappte nicht ganz, aber am 17. März 1960 war es soweit und in Sichtweite vom alten Dorfkern eröffnete man ein damals nicht nur architektonisch hochmodernes Gebäude, dass sich deutlich von seiner Umgebung abhob.

 

Der Reporter der Segeberger Zeitung nennt die Einrichtung am 18. März 1960 „Eine Liebeserklärung an die Mütter des Landes“ und zitiert damit die Geschäftsführerin des deutschen Müttergenesungswerkes mit Sitz in Nürnberg, das auf eine Stiftung von Elly Heuß-Knapp zurückgeht, die Frau des ersten Bundespräsidenten.

 

Ein moderner Jungbrunnen für gestresste Mütter

 

In Gegenwart von drei Bischöfen wird das Haus eingeweiht. Es ist das siebte Müttergenesungsheim in Schleswig-Holstein und soll „zu einem Jungbrunnen für erholungsbedürftige Mütter“ werden. Insbesondere, so die SZ, ist auch daran gedacht, Frauen nach Krebsoperationen während der Genesungszeit außerhalb des Krankenhausaufenthalts aufzunehmen. Die Wellingsbütteler Kirchengemeinde trägt die Hälfte der Baukosten von 865.000 DM.

 

Noch einmal der Berichterstatter der Segeberger Zeitung: „Modern, ausgewogen und von erlesenem Geschmack ist die Inneneinrichtung. Wohltuende Ruhe strömt von der ganzen Einrichtung des Hauses aus. Architekt Dr. Günther Schwehn entwarf den Bauplan, Innenarchitekt Wulff suchte mit erlesenem Geschmack die Einrichtungsgegenstände für das Haus aus.“ Das beinhaltet Dreier-, Zweier- und Einzelzimmer für 45 bis 48 Mütter.

 

Heimleiterin wurde eine echte Schmalenseerin

 

Erste Heimleiterin ist Lieselotte Witt, eine gebürtige Norderdithmarscherin. Die Kriegswitwe und Mutter dreier Kinder hat eine große Aufgabe: „Sie soll der ruhende Punkt dieses Heimes werden und die Verantwortung für das leibliche Wohlergehen aller Besucherinnen, die hier während der Drei-Wochen-Kuren ihre Gesundheit kräftigen, tragen.“

 

Frau Witt“, wie sie meist in damaligen Berichten genannt wird, integriert sich auch in das Schmalenseer Dorfleben: Im November 1960 wird sie Mitglied im Sparklub „Hol di ran“; in der Gründungsversammlung des Verschönerungs- und Fremdenverkehrsvereins 1971 wird sie zur 2. Vorsitzenden gewählt.

 

Kuren, Seminare, Tagungen am Schmalensee

 

Viele Male berichteten die Zeitungen vom Mütterkurheim und seinen Angeboten, dort stattfindenden Tagungen und prominenten Gästen. Oder von Jubiläen: 1971 wurde Irma Tiede aus Brunstorf bei Schwarzenbek, Mutter von fünf Kindern, als Besucherin Nr. 5.000 begrüßt. Einige Schmalenseerinnen fanden Arbeit im Mütterkurheim.

 

Ab 1990 war dann Schluss: Das Müttergenesungsheim am Schmalensee rechnete sich nicht mehr und wurde zum Verkauf angeboten. Der Kreis Segeberg überlegte, es zu einer Massenunterkunft für Asylbewerber zu machen, was am Widerstand von Gemeinde und Anwohnern scheiterte. Später entstand eine Seniorenunterkunft, deren Integration ins Dorfleben versucht wurde, aber scheiterte. Als der Träger Insolvenz anmeldete, machte die Gemeinde 2006 den Weg für einen privaten Investor frei, der den „Mütterbunker“ im Rahmen einer Zwangsversteigerung erwarb, abtragen ließ und ein Baugebiet erschloss.

 

Mütterbunker“ noch heute auf vielen Postkarten

 

Heute ist vom Mütterkurheim nichts mehr übrig – abgesehen von zahllosen Postkarten, die vor allem im Internet gehandelt werden und die den „Mütterbunker“ mal in Farbe, mal in Schwarzweiß zeigen. Im Klubzimmer des Gasthofs Voß ist der über dem Schmalensee errichtete Gebäudekomplex noch heute auf einem Wandgemälde zu sehen.

 

Das Mariechen ist ein Relikt der Einrichtung

 

Und dann ist da noch das „Mariechen“, ein Werk des Künstlers Karl Heinz Engelin, das 1959 geschaffen und eigentlich „Sitzende mit Kind“ heißt. Auf einigen alten Postkarten ist es zu sehen. Im Zuge der Abbrucharbeiten sollte das Mariechen, wie das Kunstwerk von Mitarbeiterinnen und Besucherinnen des Mütterkurheims liebevoll genannt worden war, beinahe auch ins Schotterwerk kommen.

 

Doch unter anderem Altbürgermeister Hans Siebke und der früheren Gemeindevertreterin Annegret Voß ist zu verdanken, dass das Mariechen heute an der Badestelle am See mit Blick auf ihren alten Standort steht. Dort ist längst im Rahmen des Bebauungsplans Nr. 5 ein Neubaugebiet privat erschlossen worden.

 

 

 

 

 

Bild zur Meldung: Das neue Mütterkurheim 1960

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Mütterheim (17. 03. 2020)