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Vor 115 Jahren in Schmalensee: Ein Messerstich in die Brust

Schmalensee, den 02. 01. 2025

Um das Jahr 1910 muss es in Schmalensee und Umgebung recht rau zugegangen sein. Meistens unter jungen Männern, wie einige Berichte in der kreisweit erscheinenden Tageszeitung aussagen. Dass man ersten Meldungen damals nicht hundertprozentig Glauben schenken konnte, zeigt der Verlauf der Berichterstattung insbesondere in einem Fall aus Schmalensee. Doch zunächst ein paar Beispiele aus dem Jahr 1910:

 

Am 7. Juni wird im Segeberger Kreis- und Tageblatt aus Bornhöved gemeldet: „Zwei hier in Arbeit gewesene Zimmergesellen machten vormittags auf der Ziegelei Tarbekerhof Skandal und bedrohten andere Arbeiter mit Messern. Eine regelrechte Schlägerei war bald im Gange, wobei ein Arbeiter einen Schlag über den Kopf erhielt, daß er sofort zu Boden stürzte. Als der Polizeibeamte erschien, war die Ruhe einigermaßen wieder hergestellt.“

 

In derselben Ausgabe meldet das Segeberger Kreisblatt aus Belau: „Weil der Amtsdiener Saggau -Bockhorn- am Sonntag in Belau beim Scheibenschießen Feierabend gebot, fielen einige junge Leute über ihn her und verprügelten ihn. Die Sache ist zur Anzeige gebracht worden.“

 

Am 1. Mai kommt es laut Segeberger Kreis- und Tageblatt in Stocksee „zu einer wüsten Schlägerei, in deren Verlauf dem dortigen Gastwirt ein Stück vom Finger abgebissen“ wird. „Am selben Tage fand auch in Schmalensee eine Schlägerei statt“, meldet die Zeitung. „Der Haupträdelsführer war ein Knecht namens Jürgens, der bereits wegen kürzlich ausgeführter Messerstecherei zu drei Monaten Gefängnis verurteilt wurde, gegen das Urteil aber Berufung eingelegt hat.“ 

 

Und auf diese Messerstecherei schauen wir genauer. Stattgefunden hat sie am 2. Januar 1910, also vor 115 Jahren, mitten in Schmalensee. Das Segeberger Kreis- und Tageblatt schreibt recht ausführlich, was sich zugetragen habe, und was ihm offensichtlich zugetragen wurde: 

 

„Eine blutige Messerstecherei trug sich am vergangenen Sonntag, nachmittags gegen 4 Uhr in Schmalensee zwischen dortigen Knechten zu. Der Streit entstand darüber, daß Knechte dem 18jährigen Heinrich Jürgens die Schnapsflasche leer getrunken hatten. Dieser stürzte sich mit einem scharfen Messer auf den Knecht Karl Knust, den er furchtbar zurichtete. Knust erhielt u.a. einen tiefen Stich in die Brust und liegt schwer krank darnieder. 

Der Arbeiter Fiol, der sich in den Streit mischte, wurde ebenfalls gestochen und mit einem dicken Knüppel schwer verletzt. Aus drei Wunden blutend, mußte er davongetragen werden. 

Der Haupttäter, der jugendliche Jürgens, war vor Wut fast von Sinnen. Mit lautem Gebrüll stürzte er sich auf seine Gegner. 

Da die blutige Szene sich am hellen Tage auf offener Straße abspielte, hatte sich eine große Zuschauermenge angesammelt; doch wagte niemand, sich dazwischen zu mengen. Eine Untersuchung ist eingeleitet.“

 

Ein erstes – zumindest durch die Zeitung bekanntes – Nachspiel hat der „Zwischenfall“ Ende März 1910 vor dem Schöffengericht in Segeberg. Was das Segeberger Kreis- und Tageblatt nun zu berichten hat, offenbart einige Auskünfte, die so bisher nicht zu lesen waren: 

 

„Um eine Flasche Kümmel entspann sich am späten Abend des 2. Januar eine gewaltige Keilerei in Schmalensee. Dort stellte der 19jährige Knecht Heinrich Jürgens, der sich in Begleitung seines Freundes Johs. Schulz befand, einen früheren Arbeitskollegen, den 21jährigen Fritz Mö., auf der Dorfstraße zur Rede, weil jener über ihn das Gerücht verbreitet haben sollte, er, Jürgens, wolle eine Flasche Kümmel ausgeben. 

Als der Angerempelte die bezügliche Frage als das bezeichnete, was sie in Wirklichkeit war: als verrückt, schlug der gänzlich unbeteiligte Freund des Jürgens auf den jungen Menschen ein, und Jürgens zog sogar sein Taschenmesser, um damit dem Widersacher zu Leibe zu gehen.

Auf das Geschrei des Geschlagenen eilten vier andere Knechte herbei, um den Streit zu schlichten. Sie kamen aber übel an, denn Jürgens stach dem einen in die Hand und dem anderen in die Brust. 

Mittlerweile war aus der entgegengesetzten Richtung der 49jährige Arbeiter Fiol dazugekommen, der, ohne zu wissen, wovon die Rede war, gleich über einen der vier Mittelspersonen herfiel und mit einem Knüppel über den Kopf schlug. 

Das Gericht verurteilte Schulz zu 1 Woche und Jürgens und Fiol, die beide wegen Körperverletzung vorbestraft sind, zu je 2 Monaten Gefängnis.“

 

Da kratzt man sich erst einmal am Kopf: Wer mit oder gegen wen? Und was hat es mit der Berufung und den unterschiedlichen Strafmaßen auf sich? Offenbar ist auch der Bericht aus der Schöffengerichtsverhandlung weder frei von Eingenommenheit noch von Fehlern. Klarheit liefert wohl der letzte Bericht der sich mit der Berufungsverhandlung am 1. Juni 1910 befasst, die vor dem Kieler Strafgericht stattgefunden hat: 

 

„Schmalensee, 1. Juni. Vor der Kieler Strafkammer wurde am Mittwoch über eine recht gröbliche Ausschreitung verhandelt, die sich am 2. Januar d.J. in der Gastwirtschaft hierselbst ereignete. Dort entstand eine Schlägerei, bei welcher der Arbeiter K. von dem Arbeiter Heinrich J. zunächst mit einem Knüppel bedroht und dann mit einem Messer verletzt wurde. 

Weiter waren die Arbeiter Adolf F. und Sch. in den Streit verwickelt, und gegen alle, sowie gegen den verletzten K. wurde Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung erhoben. 

Das Schöffengericht sprach den letzteren, der sich nur gegen die Angriffe gewehrt hatte, frei; J. und F. wurden jeder zu drei Monaten und Sch. zu einer Woche Gefängnis verurteilt. Der letztere beruhigte sich bei dem Urteil, während die anderen Berufung einlegten.“ – So weit die Rückschau. Die Entscheidungen der Kieler Strafkammer: „Die Berufung des J. wurde als unbegründet kostenpflichtig verworfen, während F. seine Freisprechung erzielte. Die Beweisaufnahme ergab, daß er lediglich um Frieden zu stiften, an die Streitenden herangetreten ist und daß er dann gleich einen Schlag auf den Kopf erhielt. Darauf setzte er sich natürlich zur Wehr.“

 

Ob man nach drei Schilderungen desselben Ereignisses nun schlauer ist, sei dahingestellt. Fest steht: Heinrich Jürgens hat ein Problem mit sich selbst und seine Aggressivität nicht im Griff gehabt – drei Monate. Johannes Schulz hat möglicherweise zuerst zugeschlagen, keine Berufung eingelegt und so am Ende noch Glück gehabt – nur eine Woche. Und Fiol hätte heutzutage wohl nicht nur die Rolle des sich selbst verteidigenden Streitschlichters zuerkannt bekommen; er hat großes Glück gehabt – Freispruch anstelle von drei Monaten. 

 

Was bleibt nun aber die Moral von der Geschicht? 

Über Kümmelschnaps streitet man nicht!

 

 

Bild zur Meldung: Blick in alte Zeitungen

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24638 Schmalensee

 

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